Claude Lanzmann (1925-2018)

6. Juli 2018 von H. Wittmann



WM, 6.7.2018: : URU FRA 0:2


Der Film > Shoah von Claude Lanzmann ist in der Mediathek von ARTE bis zum 4.9.2018 online.

Am 5. Juli 2018 ist der Regisseur Claude Lanzmann in Paris gestorben. Er wurde 1925 als Enkel jüdischer Immigranten aus Osteuropa geboren. 1938 ist er über den Antisemitismus im Lycée Condorcet entsetzt, als Schüler im Lycée Blaise Pascal in Clermont-Ferrand ist er 1943 in Partisanenkämpfe verwickelt. 1947 studiert er in Tübingen Philosophie. Im folgenden Jahr ist er an der FU Berlin und leitet das Französische Kulturzentrum. Die Freundschaften mit Jean-Paul Sartre und Simone de Beauvoir prägten sein Leben. Lanzmann unterzeichnet das > Manifest der 121 (September 1960).

Kein anderer hat die Erinnerungskultur mit einem vergleichbaren Engagement und Nachdruck geprägt. Er befragte Opfer und Täter: Wie konnte zu grausamen Massenmorden im Zweiten Weltkrieg kommen? Sein 9-stündiger Film Shoah, der 1985 nach 11-jähriger Produktionszeit erschien, sucht darauf Antworten und interviewt nur Zeitzeugen, keine Dokumentaraufnahmen. Er begann den Film nach 1968, als während der Mai-Ereignisse ein linker Antisemitismus erkennbar wurde. 2001 erscheint Sobibor, 14. Oktober, 16 Uhr. 2013 kommt der Film > Der Letzte der Ungerechten heraus

1972 drehte er einen ersten Film Pourquoi Israel. Verheiratet war er zuerst mit Judith Magre, ab 1971 mit Angelika Schrobsdorff, eine deutsche Schriftstellerin. Und mit Simone de Beauvoir lebte er eine Zeitlang zusammen, während Jean-Paul Sartre in seiner eigenen Wohnung wohnte. Nach dem Tod von Sartre und Beauvoir wurde er 1986 Direktor der von Sartre 1945 gegründeten Zeitschrift Les Temps Modernes.

Seine Memoiren Le lièvre de Patagonie erschienen 2009 bei Gallimard. (Der patagonische Hase. Erinnerungen., übers. v. Barbara Heber-Schärer, Erich Wolfgang Skwara, Claudia Steinitz. Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 2010) Frz. Ausgabe: S. 545: Warum habe das Buch diesen Titel? Erst wollte Lanzman es La Jeunesse du monde nennen und spielte damit auf die Zeit und die Ereignisse an, die nicht vergehen, die Grundvoraussetzung für den Film Shoah. Er erinnert an sein visuelles Gedächtnis. Und er wundert sich immer noch, wie das Theater der Welt ihm wie eine ständige Verarmung vorkommt, wenn Erstaunen und Enthusiasmus ausgeblendet werden, wenn Objekt und Subjekt derealisert würden. Mailand konnte für ihn erst wahr werden, wenn er dort die ersten Zeilen der Chartreuse de Parme von Stendhal rezitierte, viele Kapitel kannte er auswendig. Oder so wie der Name Treblinka auf den Straßenschildern dort steht, als sei nichts passiert. Oder die Hasen, die im Todeslager von Birkenau unter den Stacheldrähten hindurchliefen. Und dann war da der Hase, der im Scheinwerferlicht im Dorf EL Chalafate in Patagonien auftauchte, in dem Moment waren Patagonien und er wirklich wahr. Nous étions vrai ensemble. C’est cela l’incarnation. J’avais près de soixante-dix ans, mais tout mon être bondissait d’une joie sauvage, comme à vingt ans.“ Diese letzten Sätze seiner Biographie erklären am besten, wieso, wenn Sie sein Buch zur Hand nehmen werden, mit der Lektüre beginnen “J’ai beaucoup écrit, la main à la plume, au long de ma vie.” (S. 13), alles um mich herum vergessen, bis Sie auf der letzten Seiten angekommen sind.

Er erinnerte immer an Frantz Fanon und Jean Améry und sagte « Il y a, c’est ma conviction, une universalité des victimes comme des bourreaux – elles se ressemblent toutes, ils se ressemblent tous. Cela ne veut nullement dire qu’il faille comparer les événements de l’Histoire, » zitiert Franck Nouchi > Claude Lanzmann, un séducteur insatiable, passionnément vivant. Le cinéma, la politique, les femmes…, LE MONDE, 5.07.2018

Laurent Joffrin beschreibt im Newsletter von Libération, wie Calude Lanzmann zu einem Dîner kommt: «Je n’accepterai rien d’autre qu’une admiration inconditionnelle.» “Demi-plaisanterie”, erklärt Joffrin, hochmütig und auch eitel, sei er gewesen, aber für seinen Film Shohah habe er alles getan: “Pour le film, comme pour les Temps modernes, Lanzmann était prêt à tout, même à se changer, lui, le cinéaste adulé, l’écrivain célébré, le journaliste et l’aventurier, en attaché de presse insistant, quémandeur, infatigable. Irritant ? Pas vraiment : luttant avec ces petits moyens pour une œuvre immense, Lanzmann avait raison. C’était un têtu, un acharné, un obsessionnel. Sans ces défauts, point de création.” Und wir müssen auch noch zitieren, wie Joffrin den Film Shoah charakterisiert: “Film à nul autre pareil, ni fiction ni documentaire, mais monument, Shoah explore – «comme un maniaque», disait-il – la machinerie nazie, dont la vérité se trouve, d’abord, dans les détails, rapportés avec une précision vertigineuse. Evénement, donc, parce qu’il rejette toutes les règles : plus de neuf heures d’exploration, sans une image d’archives, sans un commentaire, avec ces longs plans d’aujourd’hui, sur les lieux mêmes, où l’on ne voit que le vent, le ciel serein, la terre refermée, ces voix d’outre-mort, ces survivants en larmes, ces bourreaux piégés, ces témoins polonais qui ont tout oublié, tout occulté. Dans la longue histoire du génocide, Shoah est une borne décisive, qui rend leur réalité aux victimes et aux bourreaux leur folie minutieuse, industrielle, administrative.”

1943 las er das gerade erschienene Buch L’être et le néant von Sartre und nach dem Krieg dessen Réflexions sur la question juive (1946): “Ce petit livre, schreibt Lanzmann, « fit plus que toutes les réparations et toutes les victoires pour nous libérer de la peur, de la honte, pour nous permettre de nous sentir chez nous en France tout en nous restituant l’orgueil d’être juifs. » C. Lanzmann, Mon Sartre, in: Les Temps modernes, nos 632-634, juillet-octobre 2005, p. 8.

1949  lernt Lanzmann Sartre kennen. “La presse et la liberté”, nannte Lanzmann seinen neuesten Artikel im Anklang an Marx, in dem er u.a. über die Macht der Propaganda schreibt. Und da Lanzmann gerade für France-Soir schrieb, aber Sartre den Text in den Temps Modernes (avril 1952)  veröffentlichen wollte, bekam Lanzman kurzerhand den Namen David Gruber, nach dem Mädchennamen seiner Mutter Grobermann. (Vgl. Le lièvre de la Patagonie, S. 216)   1952 liiert er sich mit Simone de Beauvoir, Sartre mit Eylyne Rey, Claude Lanzmanns Schwester, die Estelle in Huis clos spielt.

> Disparition de Claude Lanzmann – Website von Verlag Gallimard

> En 1985, Claude Lanzmann présentait son film « Shoah » aux Français – LE MONDE

> Claude Lanzmann, l’héritage sartrien – Le Monde

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