Éditorial: 60 Jahre Élysée-Vertrag. Und wie steht es heute um den Sprachunterricht?

22. Januar 2023 von H. Wittmann



Am Sonntag, 22. Januar 2023 wurde der 60. Jahrestag der Unterzeichnung des der Élysée-Vertrags in der Sorbonne mit einem Staatsakt gefeiert. Am 22. Januar 1963 besiegelten und festigten Staatspräsident Charles de Gaulle und Bundeskanzler Konrad Adenauer mit der Unterzeichnung des deutsch-französischen Freundschaftsvertrages, mit dem u. a. die regelmäßigen deutsch-französische Treffen auf höchster Ebene und auf allen Gebieten wie u.a. auf dem Gebiet der Außenpolitik und der Wirtschaft vertraglich vereinbart wurden.

Es gibt trotz aller Freude zum Feiern ein Thema in dem Élysée-Vertrag, der immer mehr Anlass zu großer Sorge gibt:

Der Élysée-Vertrag von 1963:

C. Erziehungs- und Jugendfragen

Auf dem Gebiet des Erziehungswesens und der Jugendfragen werden die Vorschläge, die in den französischen und deutschen Memoranden vom 19. September und 8. November 1962 enthalten sind, nach dem oben erwähnten Verfahren einer Prüfung unterzogen.

  • Auf dem Gebiet des Erziehungswesens richten sich die Bemühungen hauptsächlich auf folgende Punkte:

a) Sprachunterricht

Die beiden Regierungen erkennen die wesentliche Bedeutung an, die der Kenntnis der Sprache des anderen in jedem der beiden Länder für die deutsch-französische Zusammenarbeit zukommt. Zu diesem Zweck werden sie sich bemühen, konkrete Maßnahmen zu ergreifen, um die Zahl der deutschen Schüler, die Französisch lernen, und die der französischen Schüler, die Deutsch lernen, zu erhöhen.

Die Bundesregierung wird in Verbindung mit den Länderregierungen, die hierfür zuständig sind, prüfen, wie es möglich ist, eine Regelung einzuführen, die es gestattet, dieses Ziel zu erreichen. Es erscheint angebracht, an allen Hochschulen in Deutschland einen für alle Studierenden zugänglichen praktischen Unterricht in der französischen Sprache und in Frankreich einen solchen in der deutschen Sprache einzurichten.”

Der  deutsch-französische Kooperationsvertrag von Aachen  von 2019:

Artikel 10: “Beide Staaten führen ihre Bildungssysteme durch die Förderung des Erwerbs der Partnersprache, durch die Entwicklung von mit ihrer verfassungsmäßigen Ordnung in Einklang stehenden Strategien zur Erhöhung der Zahl der Schülerinnen, Schüler und Studierenden, die die Partnersprache erlernen, durch die Förderung der gegenseitigen Anerkennung von Schulabschlüssen sowie durch die Schaffung deutsch-französischer Exzellenzinstrumente für Forschung, Ausbildung und Berufsbildung sowie integrierter  deutsch-französischer dualer Studiengänge enger zusammen.”

Leider sieht die Wirklichkeit heute anders aus: In Frankreich fehlen viele Deutschlehrer und die Zahl der Schüler7innen, die Deutsch lernen, geht folglicherweise immer mehr zurück. Spanisch sei einfacher, mit Spanisch komme man in so vielen Ländern der Welt zurecht… So sehen es auch deutsche Schüler/innen, wissen vom DFJW nichts, waren noch nie in Frankreich, haben kaum eine Zeile eines französischen Autors gelesen, glauben aber sicher zu sein, dass Französisch für sie Bedeutung haben könne und wählen es nach der Sek I. ab: > Michaela Wiegel: Ungeliebter Französischunterricht – und was können/müssen wir tun? – 24 März 2019. Es gibt auch das Gegenteil, die wachsenden Zahlen der DELF-Absolventen sprechen eine andere Sprache: > Nachgefragt. Charlotte Spielewoy: Qu’est-ce que le DELF ? – 6. September 2021.

Wir benötigen in Frankreich und Deutschland eine neue politische Offensive auf höchster Ebene, um unsere Schüler/innen beiderseits des Rheins daran zu erinnern, dass Sie es sind und sein werden, die dereinst die deutsch-französische Kooperation mit Leben und Sprache beleben werden. Kein Länderpaar in der Welt hat mehr gemeinsame Organisation wie Frankreich und Deutschland: Macht doch mal eine Liste aller deutsch-französischen Organisationen… – 4. Juni 2022.

Nach einer Phase der unbedingten Alltagskommunikation zum Nachteil der Literatur sind in den neueren Französischlehrwerke allmählich wieder mehr literarische Texte zu finden. Das gibt zu guter Hoffnung Anlass…. eine Hoffnung, die allerdings jahrelang anhalten muss, weil dieser Prozess sehr lange dauert, sol lange, dass die heutigen Schüler/innen längst Französisch abgewählt haben werden.

Der Niedergang des Französischunterrichts in Deutschland begann schon 1986, als unserer Seminarleiter uns drei Monate vor dem II. Staatsexamen den völligen Einstellungsstopp für uns mitteilte. Aus und vorbei. Die Investition, zwei Jahre Studium in Paris und dann das Studium an der Universität Bonn, wurde nach dem Staatsexamen von der netten Dame im Arbeitsamt mit dem Vorschlag, doch jetzt eine Umschulung zu machen, beantwortet. Sie habe ich nicht wiedergesehen, aber mit mir waren viele andere nicht in der Schule… keine Werbung für unser Fach.., ein, zwei oder drei Französischlehrer-Generationen oder sogar noch mehr fehlten in der Schule. Man könnte auch sagen die Verbindung der Forschung zur Schule riss ab. Das ist übertrieben? Wie schwer ist es heute, oder schon seit Jahren, eine Fachdidaktik zu entwickeln, die der neuen digitalen Welt Rechnung trägt und ihre Möglichkeiten nutzt: > Schule und Internet: Une didactique nouvelle à un monde nouveau – 10. Dezember 2014.

Es gibt aber auch die bilingualen Gymnasien, in denen auf hohem Niveau Französisch gelernt wird: > 8. Deutsch-französischer Jugendkongress – mit einer Linkliste – 19. September 2019

> Pétition adressée au Président de la République pour un véritable plan de relance de l’apprentissage de l’allemand

Auf unserem Blog:

> Den Französischunterricht stärken: 222 Argumente für Französisch – 26. September 2021

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