Archiv für April 2021

Charles Baudelaire zum zweihundersten Geburtstag

Mittwoch, 7. April 2021

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Charles Baudelaire (9. April 1821-31. August 1867) hatte keine leichte Jugend. Sein Vater starb 1827, seine Mutter heiratete den künftigen General Jacques Aupick. Charles kam in ein Internat in Lyon, aus dem er 1839 rausgeworfen wurde. Im gleichen Jahr macht er sein Abitur und beginnt ein Jura-Studium, das er bald wieder abbricht. Besorgt wegen seines kostspieligen Lebenswandels wird er 1841 auf eine Schiffsreise mit dem Ziel Kalkutta geschickt, die er aber auf der Insel Bourbon (heute La Réunion) vorzeitig abbricht. 1842 liiert er sich mit Jeanne Duval. 1844 wird er von seiner Familie unter eine Vormundschaft gestellt.

> Charles Baudelaire, critique d’art – Gallica Blog – 9 novembre 2021
par Coralie Philibert
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Auf unserem Blog: > Georges Pompidou spricht über Charles Baudelaire

1845 erscheint der Salon mit einen ersten Kunstkritiken und seiner Bewunderung der Werke von Eugène Delacroix. 1857 die Novelle Le Fanfarlo Nach dem Staatsstreich vom Dezember 1852 wendet er sich endgültig der Schriftstellerei zu. Echten Erfolg hat er nicht. Zwar werden seine Übersetzungen von Edgar Alan Poe (Histoires extraordinaires, 1848) beachtet. 1855 gelingt ihm ein Durchbruch mit seinem Bericht über die Exposition universelle. aber der Gedichtzyklus Les Fleurs du Mal, 1857, neue Auflage 1861, (Die Blumen des Bösen, 1907) beschert ihm ein Gerichtsverfahren wegen der Verletzung der öffentlichen Moral. Seine Verteidigung, in der er auf die Zusammenhänge aller Gedichte in diesem Band hinweist, deren Sinn es sei, vor Angriffen auf die Moral zu warnen, wird nicht verstanden. Er wird verurteilt und muss 6 Gedichte herausnehmen, die später unter dem Titel Épaves erscheinen werden.

In XCIII À une passante hießt es :

« La rue assourdissante autour de moi hurlait.
Longue, mince, en grand deui, douleur majestueuse,
Une femme passa, d’une main fastueuse,
Soulevant, balançant le feston et l’ourlet »

und Baudelaire flaniert durch die Straßen der Hauptstadt. Walter Benjamin (1892-1940) hat diesen Typus aufgrund von Baudelaires eigener Interpretation „Der Beobachter ist ein Fürst, der überall im Besitze seines Inkognitos ist,“ wie folgt definiert: “Wenn der Flaneur dergestalt zu einem Dichter wider Willen wird, so bekommt ihm das gesellschaftlich sehr zupaß. Er legitimiert seinen Müßiggang. Seine Indolenz ist nur eine scheinbare. Hinter ihr verbirgt sich die Wachsamkeit eines Beobachters, de den Missetäter nicht aus den Augen lässt. So sieht der Detektiv ziemlich weite Gefilde in seinem Selbstgefühl aufgetan. Er bildet Formen des Regierens aus, wie sie dem Tempo der Großstadt anstehen. Er erhascht die Dinge im Flug; er kann sich damit in die Nähe des Künstlers träumen.“ (W. Benjamin, Charles Baudelaire. Ein Lyriker im Zeitalter des Hochkapitalismus, Frankfurt/M. 1969, S. 41 ff.)

Auf unserem Blog: > La littérature française (I): Charles Baudelaire

Seine Gedichte sind nicht leicht einzuordnen, von den Dichtern des Parnasse wie Musset scheint er sich gelöst zu haben und sie deuten schon auf eine neue Bewegung hin. Wie viele Schriftsteller seiner Zeit haderte er mit der politischen oder gar der gesellschaftlichen Entwicklung und pflegte sein bewusstes Anderssein als Dandy. Seine Gedichte nehmen viele Themen aus den dunklen Seiten der Gesellschaft auf, erzählen oft sprachgewaltig von Krankheit, Verfall und Tod, vom Schwanken zwischen Untergang und Aufstieg, die von einer Radikalität der Sprache noch weiter akzentuiert werden. Dieser Zwiespalt zwischen Angst und Hoffnung wurde zum Grundthema seiner Dichtung. Mit seiner Modernität, radikal neuen Themen kündigt Baudelaire neue Wege der Dichtung an und stellt seine Leser vor ganz neue Herausforderungen.

1869 ergänzte er seine Gedichtsammlung um Le spleen de Paris (Pariser Trübsinn, 1904). 1859 erscheint wieder ein Artikel über den Salon und dann widmet er dem Maler Constantin Huys unter dem Titel Le Peintre de la vie moderne… Schließlich folgt 1861 ein Aufsatz über Richard Wagner….

Baudelaire war auch Kunst- und Literaturkritiker Berühmt ist seine 1857 erschienene Besprechung von Gustave Flauberts Madame Bovary, Mœurs de Province oder seine Analysen der Gemälde von Eugène Delacroix, den er als „chef de l‘école moderne“ bezeichnet: vgl. H. Wittmann, Napoleon III. Macht und Kunst, Reihe Dialoghi / Dialogies. Literatur und Kultur Italiens und Frankreichs, hrg. V. Dirk Hoeges, Band 17, Frankfurt/M. 2013, S. 109 et passim.

In seinen Journaux intimes heißt es im Kapitel X Fusées:

« J’ai trouvé la définition du Beau, de mon Beau. – C’est quelque chose d’ardent et de triste, quelque chose d’un peu vague, laissant carrière à la conjecture. Je vais, si l’on veut, appliquer mes idées à un objet sensible, à l’objet par exemple, le plus intéressant dans la société, à un visage de femme. Une tête séduisante et belle, une tête de femme, veux-je dire, c’est une tête qui fait rêver à la fois, mais d’une manière confuse, de volupté et de tristesse ; qui comporte une idée de mélancolie, de lassitude, même de satiété, — soit une idée contraire, c’est-à-dire une ardeur, un désir de vivre, associés avec une amertume refluante, comme venant de privation ou de désespérance. Le mystère, le regret sont aussi des caractères du Beau. »

Wie viele andere Passagen in seinem Werk definiert Baudelaire hier das Schöne, hier ist es der Kopf einer Frau; das Geheimnis wie das Bedauern sind aber auch schön.

Über Baudelaire hat Sartre eines seiner Künstlerporträts verfasst: Baudelaire. Sartre selber fand es misslungen, gleichwohl illustriert diese Studie Sartres Methode auf gelungene Weise, wie jemand sich zu einem Künstler macht. Alle wichtigen Themen, mit denen Sartre in L‘être et le néant (Das Sein und das Nichts, 1943) die menschliche Freiheit erkundet, werden in diesem Porträt aufgegriffen und genutzt, um die Persönlichkeit Baudelaires und seine Entscheidung, Künstler zu werden, einer Analyse zu unterziehen. U. a. zitiert Sartre eine Passage aus Fusées, in der Tiere genannt werden: „mon petit âne mélancolique“ und die Frage „les satans n’ont-ils pas des formes de bêtes? Le chameau de Cazotte – chemau, diable et femme, » was Sartre dazu führt nach einer Transzendenz unserer eigenen nicht zu rechtfertigenden Wertefreiheit zu fragen, die auf unsere menschliche Freiheit verweist: „Par le fait, Baudelaire s’est toujours senti libre.“ (Sartre, Baudelaire, 1963, S. 47).

Man kann bei der Lektüre dieser Studie auf vielen Seiten EN für L’être et le néant an den Rand schrieben und entdeckt dabei, dass das Porträt Baudelaires auch eine Art Einleitung in sein oder Kommentar für sein philosophisches Hauptwerk gelesen werden kann und gleichzeitig auch als Form und Anleitung weiterer Künstlerporträts verstanden werden könnte. Bemerkungen wie z. B.: „Et, certainement, il est impossible de se voir vraiment avec les yeux d’Autrui, nous adhérons trop à nous-mêmes, » (S. 105) erinnert an die Szene des Schlüssellochguckers, der sich durch Schritte und den noch nicht vorhandenen Blick eines Anderen ertappt fühlt. Der Andere konstituiert uns durch seinen Blick, auch wenn er noch gar nicht stattgefunden hat.

Auch der letzte Satz seiner Studie resümiert die Beziehung zu L’être et le néant: Baudelaires Leben habe ihm erlaubt diese Wahrheit auf unerreichte Weise zu demonstrieren: „le choix libre que l’homme fit de soi-même s’identifie absoliment avec ce qu’on appelle sa destinée.“ (Ib. S: 245) Mit kaum einem anderen Satz hat Sartre seine Doktrin von der Verantwortung des Menschen für sich selbst, für seine Wahl, der er sich nicht entziehen kann, so präzise auf den Punkt gebracht. Er ist frei zu wählen, aber er muss wählen, sowie er damit begonnen hat, sind die Würfel gefallen, er ist dann schon engagiert, wie es in Qu’est-ce que la littérature? heißt: vgl. H. Wittmann, Sartre, Camus und die Kunst. Die Herausforderung der Freiheit, Reihe Dialoghi / Dialogies. Literatur und Kultur Italiens und Frankreichs, hrg. V. Dirk Hoeges, Band 18, Frankfurt/M. 2020, S. 24 et passim.

SWP-Studie. Frankreichs Außen- und Sicherheitspolitik unter Präsident Macron

Donnerstag, 1. April 2021

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Gerade hat Ronja Kempin für die Stiftung für Wissenschaft und Politik den Band > Frankreichs Außen- und Sicherheitspolitik unter Präsident Macron mit dem Untertitel Konsequenzen für die deutsch-französische Zusammenarbeit (SWP-Studie 2021/S 04, März 2021, 54 Seiten) veröffentlicht.

Der Bericht von Ronja Kempin legt eine ernüchternde Analyse der deutsch-französischen Beziehungen, vor allem in der Folge des > Aachener Vertrags von 2019, mit dem Staatspräsident den deutsch-französischen Beziehungen ganz im Sinne > seines Engagements für eine “Renovation de l’Europe” einen neuen Schwung verleihen wollte. Deutschland ließ Frankreich lange auf eine Antwort warten, die erst durch die Pandemie befördert wurde: > Emmanuel Macron: “Jour historique pour l’Europe !”.

Nach wie vor ist aber ein sachlich gebotener Schulterschluss zwischen Paris und Bonn nur in Umrissen erkennbar, jedenfalls nicht so, wie es die feierliche Vertragsunterzeichnung in Aachen oder gar die Verleihung des Karlspreises dies hoffen ließ > Staatspräsident Emmanuel Macron hat in Aachen den Karlspreis erhalten. Der > Weckruf von Präsident Macron in Sachen NATO verhallte eher ungehört. Fast scheint es auch heute so, dass man sich in Berlin die Ohren zuhält. Zwar haben Bundeskanzlerin Angela Merkel und Präsident Emmanuel Macron sich explizit über diese Frage ausgetauscht > Bundeskanzlerin Merkel, Staatspräsident Macron und die NATO, aber die Bilanz, wie Ronja Kempin zeigt, ist enttäuschend.


Auf unserem Blog:
> Rüstungsexporte. Nachgefragt: Brigadegeneral a.D. Dr. Klaus Wittmann antwortet auf unsere Fragen – 20. Mai 2019


Fast scheint es so, als wäre man wieder bei 1963 angekommen Frankreich sucht die Nähe zu Deutschland, um seine / unsere sicherheitspolitische Lage in Europa zu verbessern, besonders angesichts der Perspektiven eines nachlassenden Interesses der USA an Europa, gerade weil das internationale Umfeld sich so rasant wandelt. Deutschland hofft aber weiterhin an einen Ausbau der transatlantischen Beziehungen oder unter Biden an ein Renouveau der NATO.

Mit anderen Worten, jenseits der großen Reden funktioniert die gemeinsame Abstimmung zwischen Frankreich und Deutschland nicht. Desinteresse und auch ein ungenügender Erfahrungsaustausch mögen die deutsch-französische Kooperation beeinträchtigen. Sicher, es gibt kein anderes Länderpaar auf der Welt, dass durch so viele Organisationen, Verbände, Institute, Partnerschaften, Institutionen mit einander verbunden ist. Allein es bleibt der Eindruck, Berlin hat zur Zeit immer weniger Interesse etwas daraus zu machen, vielleicht weil die Probleme der Pandemie überwiegen. Die Covid-19-Krise ist eine interessante Gelegenheit, die unterschiedlichen Politikansätze in Frankreich und Deutschland mit einander zu vergleichen. In Frankreich verkündet der Präsident eine neues verschärftes Confinement: > 31mars 2021: Le Président de la République Emmanuel Macron s’est adressé aux Français ce soir, während die deutschen Ministerpräsidenten sich mit der Kanzlerin streiten, am liebsten immer mehr alles wieder öffnen würden (wer will das nicht) und doch wieder jetzt auf einen stark verschärften Lockdown zurückgreifen müssten. Man gewinnt den Eindruck, es gibt eine deutsche und eine französische Variante des Virus, die offenkundig keine gemeinsame Abstimmung auslösen können. Bleibt nur der grenzüberschreitende Rat für die Abstimmung an der deutsch-französischen Grenze.

In dieser Situation hat die deutsch-Französische Parlamentarische Versammlung die wichtige Aufgabe, beide Regierungen an ihre eingegangenen Verpflichtungen zu erinnern.

Der Band > Frankreichs Außen- und Sicherheitspolitik unter Präsident Macron enthält sechs Fallstudien zu Libyen, zur Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik, zur Wirtschafts- und Währungsunion, zu Russland, zur Nato und zur Türkei, jede für sich zeigt wie der Untertitel des Berichts lautet Konsequenzen für die deutsch-französische Zusammenarbeit auf.

Ernüchternd fällt das Urteil von Ronja Kempin aus: ” Wie die vorliegende Studie zeigt, konnte das Angebot des französischen Staatschefs, eine »neue Partnerschaft« mit Deutschland zu begründen, weder im Rahmen der Nato eingelöst werden noch in den Beziehungen zu Russland und der Türkei oder in Libyen. Auch die Verpflichtungen gemäß Artikel 1 des Vertrags von Aachen sind bislang nicht durchweg erfüllt worden. Demzufolge wollen sich beide Staaten »für eine wirksame und starke Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik« einsetzen und die Wirtschafts- und Währungsunion »stärken und vertiefen«.4 Die Hauptursache für diesen Befund liegt darin, dass Deutschland und Frankreich auf strukturelle Veränderungen in der internationalen Politik unterschiedlich reagiert haben.” (S. 48)

Michaela Wiegel, Paris, > Deutschland und Frankreich : Alles andere als einig, FAZ – 31.03.2021

DFOLR – Nachrichtenfaktoren für die Sozialen Medien

Donnerstag, 1. April 2021

french german 

> Wie kommt ein Thema in die Medien?  *.pdf  – WDR

> Berichterstattung im ZDF – Fragen und Antworten

> La charte d’éthique et de déontologie du groupe Le Monde – La charte est entrée en vigueur mardi 2 novembre 2010.

> Les critères de choix des sujets – Ouest-France 9.10.2014

> Quel avenir pour le journalisme ? – SciencesPo

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