Europa und die Kultur

15. Juli 2019 von H. Wittmann



Die Militärparade auf den Champs-Élysées aus Anlass des Nationalfeiertags am 14. Juli hat unter dem Motto „Agir ensemble“ die gemeinsame Verteidigung Europas in den Vordergrund gestellt. Kurz vorher hat Präsident Macron die Schaffung einen neuen Kommandobereichs für die Luftwaffe angkündigt:  > Un grand commandement de l’espace sera créé en septembre prochain au sein de l’Armée de l’air.   Gerade hat Präsident Macron die deutsche Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen als neue Kommissionspräsidentin vorgeschlagen > Die Nominierung von Ursula von der Leyen als EU-Kommissionspräsidentin– 5. Juli 2019: Am Dienstag, 17. Juli wird das Europarlament über sie abstimmen.

Wenn mit der Parade die Verteidigung im Vordergrund stand, so sollten die anderen großen Herausforderungen, die Präsident Macron immer wieder als die Handlungsfelder nennt, die Europa nur gemeinsam bewältigen können, nicht übergangen werden: der Klimawandel – >Klimawandel. Nachgefragt. Wir fragen Pierre-Yves Le Borgn’ – 19. Juni 2019, die > Migrationspolitik und die > Digitalisierung.

Aber zu dem System von Emmanuel Macron, das zu einer Renovation de l’Europe führen soll, gehört auch die Kultur:

Wir erinnern hier an die Rede von Präsident Macron, anlässlich der Eröffnung der Frankfurter Buchmesse 2018:

„Die französische Enzyklopädie ist nicht französisch, sie nährt sich aus dem lebhaften intellektuellen Diskurs der Zeit: Antworten auf Kant, Diskussionen mit den Gebrüdern Grimm und so viele weitere Kontroversen, die Europa in jener Zeit beherrschen. Kriege, Rivalitäten und unfassbare Tragödien haben diesen Dialog zertrennt oder zumindest versucht ihn zu zertrennen. Mehrfach haben sie die Verbindungen, die zwischen unseren Nationen geknüpft worden waren, zunichte gemacht, aber nie, nie haben es Hass oder Rache vermocht, diese Grundbeziehung zu zerstören, auf deren Grundlage Frankreich und Deutschland seit Jahrhunderten gemeinsam vorangehen, sich aufeinander beziehen, miteinander sprechen.

Diese Beziehung ist im mittelalterlichen Europa verwurzelt, in Ihrem Karl dem Großen, der, sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, auch der Unsrige war, im Humanismus der Renaissance; und seit wir Franzosen sind, haben wir aufmerksam und fasziniert den Stimmen aus Deutschland gelauscht, und die Deutschen haben die Stimmen aus Frankreich immer gehört und verstanden. Und dieses intime, uralte Band bedurfte eines Vehikels – das verdeutlicht auch die Episode aus dem Leben Goethes, die ich gerade beschrieben habe – und dieses Vehikel war das Buch.

In und mit Hilfe von Büchern haben Frankreich und Deutschland das Wissen übereinander aufgebaut: Reiseberichte, alte Märchen, Gedichte, Romane, Philosophie – nichts des Anderen ist uns fremd. Unzählbar sind die Leser, Kritiker, Gelehrte, die auf beiden Seiten unserer Grenzen die Werke von der anderen Seite bis ins letzte Detail analysiert haben; seit Jahrhunderten lesen wir unablässig gegenseitig unsere Werke, übersetzen und interpretieren sie. Und die heftigsten Streitigkeiten, Kritiken und öffentliche Kontroversen haben dieses Band zwischen uns nur stärker werden lassen. Und – das muss ich hier zugeben – es gibt Deutsche, die eine fundiertere Kenntnis der französischen Sprache und Kultur besitzen als die meisten Franzosen, und umgekehrt gilt das auch.“

und:

„Seit Jahrhunderten gleicht die Beziehung zwischen Frankreich und Deutschland einem äußerst wertvollen Zwiegespräch und damit das so bleibt, müssen wir beide weiterhin das Erlernen der jeweils anderen Sprache als absolute Priorität betrachten. Ich will die französische Sprache hochhalten, ich halte sie hoch, aber als etwas, das über Nation Frankreichs hinausgeht, als einen Kontinent, auf dem sich jedes eroberte Fleckchen nicht gegen ein anderes stellt, sondern das Andere aufnimmt. Die französische Sprache ist nur in der Vielsprachigkeit stark. Die Identität der französischen Sprache ist nur da vollkommen ergründet und ausgelebt, wo sie sich an anderen Sprachen, an deren Übersetzungen und deren Wissen reibt. Deshalb habe ich verfügt, dass zum Schuljahresbeginn überall, überall dort, wo es gewünscht und möglich war, und in allen Klassen der Republik, wo es einst so war, wieder Zweisprachenklassen eröffnen.

Seit September lernen mehr als 550 000 französische Schülerinnen und Schüler in den Collèges Deutsch, weil die Frankophonie stärker ist, wenn sie sich innerhalb dieses Dialogs zwischen europäischen Sprachen und insbesondere zwischen unseren Sprachen entwickelt, weil sie daraus ihre Kraft zieht und sie nur in dieser Reibung, diesem Austausch wirklich lebt.“

und:

„Ja, ich möchte also, dass unser Europa, für das wir gemeinsam mit der Bundeskanzlerin ein Projekt der Neubegründung vorantreiben wollen, auf diesen vielfältigen Sprachen beruht, auf dem Wissensaustausch, auf dem starken Willen, sich für unsere Studierenden einzusetzen. Darum geht es in dem Vorhaben, bis 2022 zehn vollwertige europäische Universitäten einzurichten, die einheitliche Studienpläne und einen gemeinsamen Grundstock haben, auf dem die Studierenden im Bachelor, Master und Promotionsstudium aufbauen können und somit bereits in Europa zu Hause sind.“

Vgl. zum Französischunterricht in Deutschland unser Interview mit dem Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen und Bevollmächtigten der Bundesrepublik Deutschland für kulturelle Angelegenheiten im Rahmen des Vertrags über die deutsch-französische Zusammenarbeit Armin Laschet: >  Nachgefragt: Ministerpräsident Armin Laschet antwortet auf unsere Fragen – 8. Juli 2019Christa Weck (Leiterin der Abteilung Französisch im Ernst Klett Verlag) war mit unserer Redaktion in der Staatskanzlei in DÜsseldorf eingeladen worden.

Dazu auf unserem Blog: > Refonder l’Europe par la culture / Europa mit Hilfe der Kultur neu begründen (II) – 26. Oktober 2017
> Michaela Wiegel: Ungeliebter Französischunterricht – und was können/müssen wir tun? – 24. März 2019.

Auf unserem Blog: Die Reden von Macron zu Europa

Macron und Europa

> Rappel : Les discours du Président de la République et l’Europe  – 14. Dezember 2017 von H. Wittmann

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