Sind Paris und Berlin sich einig?

15. Juni 2010 von H. Wittmann



Ergänzt: 15. Juni 2010, 19 h 15 – mit geänderter URL


Ergänzt: 17. Juni 2010

Liest man sich das hier unten zitierte Pressegespräch genau durch, könnte man den Eindruck gewinnen, dass die Gastautorin Claire Demesmay der Süddeutschen Zeitung > Frankreich – Deutschland: 0:2 möglicherweise weniger genau gelesen hat. Demesmay schreibt: “Erstens soll, zum Bedauern Frankreichs, kein neues Gremium geschaffen werden. Den rotierenden Vorsitz und das ständige Sekretariat, die sich Paris seit jeher wünscht, um die Treffen der Staats- und Regierungschefs der Eurozone vorzubereiten, hat Berlin abgelehnt. Außerdem soll die wirtschaftspolitische Koordination für alle 27 EU-Mitglieder gelten, und nicht nur für die 16 Länder der Eurozone (worauf Frankreich immer bestanden hat).” Und Frau Merkel hat gesagt: “Wir haben darüber gesprochen, in der Krisensituation im Bedarfsfall ‑ dies haben wir schon dreimal gemacht ‑ ein Treffen der 16 Mitgliedsstaaten der Eurozone einzuberufen. Hier geht es nicht um die Schaffung neuer Institutionen, sondern es geht darum, pragmatisch und operationell handeln zu können, wenn es Probleme gibt. Bei den drei Treffen haben wir deutlich gemacht, in welcher Form wir Probleme zu lösen gedenken.”


Angela Merkel refuse le gouvernement économique limité à la zone euro voulu par Nicolas Sarkozy

Jetzt hat die Überschrift dieses Beitrags doch noch ein Fragezeichen bekommen. 16 oder 27, die Frage ist nicht gelöst worden. Beide Seiten sind sich einig, Einigkeit zeigen zu wollen. Der ganze Vorgang enthält für Schüler eine Anleitung, Videos genau anszuschauen und Texte genau zu lesen. Die Ausgangsposition wurde auf den letzten Beiträgen hier geschildert oder zumindest angedeutet. Jetzt kann man betrachten und nachlesen, was der Präsident und die Kanzlerin daraus gmacht haben. Ein Blick in verschiedene Medien zeigt, wie ihr Arbeitsergebnis beurteilt wird. Mal gucken, was beide in Toronto und vorher bei G8 Treffen daraus machen werden.

Am Montag, 14. Juni, in Berlin ist Nicolas Sarkozy auf Angela Merkels Vorstellungen hinsichtlich der Finanzpolitik in der EU eingegangen: “Mehr als jemals zuvor haben Frankreich und Deutschland sich entschieden, mit gleicher Stimme zu sprechen (…), um die Konsequenzen aus einer Krise zu ziehen, die wir nicht mehr wollen,” hat Sarkozy erklärt. Der Präsident unterstützt jetzt die von Merkel favorisierte Form der Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank und die Abstimmung unter den 27 Mitgliedern. Sarkozy gibt das von ihm bevorzugte “Sekretariat”, das sie Wirtschaftsstrategie der EU beobachten oder kontrollieren und die Haushalte der Mitgliedsländer prüfen soll, auf. Aber er und Merkel sind sich einige, das Stimmrecht der Mitgliedsstaaten in der EU beschneiden zu wollen, die zu unvorsichtig mit ihren Haushalten umgehen. Mit diesen Absprachen haben bei ihre Teilnahme am G20 Gipfel Ende Juni in Canada vorbereitet.

> Gemeinsame Pressebegegnung des französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy und Bundeskanzlerin Angela Merkel

> Gemeinsame Pressekonferenz von Nicolas Sarkozy und Angela Merkel (Berlin, 14. Juni 2010) Video

> Fotos www.elysees.fr

> Sarkozy et Merkel “main dans la main” pour défendre l’euro – France-Soir

> Sarkozy s’aligne sur Merkel pour la gouvernance économique européenne – L’EXPRESS

> Merkel und Sarkozy für EU-Wirtschaftsregierung

< Angela Merkel und Nicolas Sarkozy heute zusammen auf einem Foto auf der Website des Elyseeplastes Also wo verläuft die Kompromisslinie? DIE WELT schreibt: "Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy haben sich gemeinsam für eine europäische “Wirtschaftsregierung“ aus allen 27 EU-Staaten ausgesprochen. Zugleich soll es im „Bedarfsfall“ die Möglichkeit von Sondertreffen der 16 Staaten geben, die bereits den Euro haben." Also kein (Wirtschafts-)Sekretariat der 16, wohl aber eine Kontrolle der 27 durch die 16. Sarkozy steckt zurück, Merkel auch ein bisschen und man findet sich im Kompromiss wieder. Die Lektüre der > Pressestatements von Sarkozy und Merkel vermitteln keinen so rechten Einblick in den Ablauf der Gespräche am Montag. Genaugenommen scheinen die unterschiedlichen Auffassungen fortzubestehen: Frau Merkel erklärt: “Wir haben darüber gesprochen, in der Krisensituation im Bedarfsfall ‑ dies haben wir schon dreimal gemacht ‑ ein Treffen der 16 Mitgliedsstaaten der Eurozone einzuberufen. Hier geht es nicht um die Schaffung neuer Institutionen, sondern es geht darum, pragmatisch und operationell handeln zu können, wenn es Probleme gibt. Bei den drei Treffen haben wir deutlich gemacht, in welcher Form wir Probleme zu lösen gedenken.” Institutionell soll aus deutscher Sicht so ein Treffen nicht verankert werden, aber wenn es sich trifft, ist das Ergebnis positiv, weil man weiß, wie man zusammen arbeitet. Soll das bedeuten, dass gemeinsames Handeln innerhalb von Institutionen nicht so erfolgreich ist?

Sarkozy erklärt ausdrücklich sein Einverständnis: “Schließlich und endlich möchte ich sagen: Ich bin voll und ganz einverstanden und freue mich darüber, dass ich aus dem Mund der Bundeskanzlerin höre, dass es notwendig ist, die Wirtschaftsregierung Europas zu stärken. Hier geht es um Zusammenhalt. In meinen Augen ist es sehr wichtig, dass dies so gesehen wird. Natürlich erfolgt diese Wirtschaftsregierung im Rahmen des Europäischen Rats der 27. Wir haben uns darauf geeinigt, dass die 16 Staats- und Regierungschefs im Bedarfsfall zusammenkommen können, um Themen zu diskutieren, die die Eurozone anbelangen.”

Wie denn nun? “Natürlich” wird die “Wirtschaftregierung” “im Rahmen des Europäischen Rats der 27” organisiert. Und was ist, wenn es ernst wird? Dann die französische Lösung? Ansonsten die deutsche Lösung? Im “Bedarfsfall” kommen dann “die 16 Staats- und Regierungschefs” zusammen. Wenn kein Bedarf besteht, bleibt man bei den 27… Und wenn man arbeiten muss, dann wieder 16? Wie man die Antworten dreht und wendet, klarer werden sie nicht. Frau Merkel stand vorher einer Lösungmit 16 skeptisch gegenüber. Jetzt sagte sie in dem Pressegespäch, die 16 werden zusammengerufen, wenn es darum geht, “pragmatisch und operationell handeln zu können, wenn es Probleme gibt”, und sie verweist auf die guten, dreimaligen Erfahrungen solcher Treffen. Keiner von beiden hat einen Punkt markiert. Die Kompromisslinie versucht, nirgends anzuecken, wenn man das etwas schief, einmal so sagen darf. Keine Seite kann eine echten Erfolg für sich verbuchen. Aber hat die gemeinsame Sache gewonnen? Man wird gemeinsam in Toronto auftreten und strittige Fragen sorgsam umgehen.

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